Sonntag, 22. Dezember 2019

Trockenübung

Wie zum Henker kann man von einer Trockenübung sprechen, wenn man auf dem Spaziergang mit nassen Kleidern und vollgespritzter Brille unterwegs war? Aber der Reihe nach...
Am Freitag war ich noch beim Coiffeur (was in meinem Fall eine Coiffeuse ist, blond dazu, aber jetzt bitte keine Witze). Dabei kam das Gespräch auf Orte, die vom Klimawandel bedroht sind und wo man unbedingt nochmals hingehen sollte (was potentiell die Klimaerwärmung weiter anheizt, aber lassen wir auch das mal beiseite). Miami, Malediven, Mansibar...ne, Sansibar natürlich. Fängt ja nicht alles mit M an, was uns dazu in den Sinn kam. Also, die Frage kam unweigerlich, ob ich schon mal an einem solchen Ort war, der nun droht vom Wasser verschluckt zu werden. Ja, war ich, zwei Mal auf den Malediven. Ich meinte noch, dass mir das aber nach rund einer Woche dann doch langsam zu langweilig wurde. Chantal meinte: "mit meinem Ex wäre es mir vermutlich am zweiten Tag schon langweilig geworden - darum ist er vermutlich auch mein Ex". Dann kam das Thema auf den Winter ohne Schnee. Chantal sagte: " das war schon schön jeweils mit dem Hund über schneebedeckte Waldwege zu spazieren". Es wäre eben ihr erster Winter ohne Hund seit langem, und man würde richtig faul ohne Hund. Nun, da hatte die gute Chantal unbewusst die richtigen Knöpfe gedrückt.
Ein Punkt kam dann heute Sonntag wieder hoch, der Teil mit der Faulheit ohne Hund. Wenn du am Mittag mit 1250 Schritten auf dem Sofa sitzt und draussen Wind und Regen Gemütlichkeit verbreiten, muss man sich entscheiden, ob man sich dieser Gemütlichkeit widersetzen kann. Sonntagsverkauf? Wäre eine Möglichkeit gewesen, Bern, Burgdorf und Solothurn standen zur Verfügung. Ist aber immer noch nicht so mein Ding. Also mal wieder klassisch der Emme entlang nach Aefligen? Deal! Mit Regenhose und -jacke entschied ich mich für die verbotene Route über die Baustelle, auf der die Emme massiv verbreitert und renaturisiert werden soll - hilft nicht gegen die Klimaerwärmung, bereitet aber auf deren Folgen vor. Über die Baustelle wollte ich immer schon mal, weil es mich interessiert und vermutlich auch, weil es nicht erlaubt ist. Sieht aktuell aus wie eine Mondlandschaft, dazwischen Ansätze von Ursus Ordnungssinn: Bäume schön parallel aufgeschichtet an ein paar wenigen Orten - ein aufgeräumter Wald der schon bald weggeräumt sein wird. Kein Opfer der Klimaerwärmung by the way. 
Letzte Woche wurde ich gefragt, ob ich tief in mir drinnen nicht irgendwo eine Wut verspüren würde. Bis heute habe ich keine Wut gefunden, aber wenn ich über diese altbekannten Pfade wandere, dann stellt sich manchmal ein Schmerz ein. Darauf war ich irgendwie vorbereitet, mit einem 13-jährigen Hund macht man sich schon mal Gedanken darüber. Trotzdem fühlt sich das komisch an ohne Hunde auf Wegen, die ich wegen der Hunde überhaupt erst kennen und schätzen gelernt habe. Und das tut eben auch etwas weh zwischendurch, fühlt sich eben an wie Trockenübungen, nicht richtig, unvollständig. Darum sollte ich vielleicht auch beim Wandern neue Wege beschreiten und nicht auf den alten Dog-Tracks unterwegs sein.
Nun, zurück von Aefligen ging's dann mit dem Zug und nun sitze ich wieder auf dem Sofa - mit 10'535 Schritten auf dem Zähler.