Donnerstag, 18. Juni 2020

Try Harder

Diese englische Aussage kann man auf zwei Weisen interpretieren: try harder - versuche es noch stärker. Oder try Harder - probier doch mal den Harder aus. Heute liess mir das strahlende Wetter keine andere Wahl, als mal nachzuschauen, wie's auf dem Harder so aussieht. Schliesslich war das nun für eine Woche mein Hausberg. Dass ich nicht der einzige sein würde, war klar. Darum entschloss ich mich für die erste Bergfahrt um 11:10. Um 11 Uhr war ich beim Anstehen an der Kasse, löste bald mein Retourticket für 20 CHF und dann hiess es erst mal Warten. Vor mir etwa 20 Personen, hinter mir wahrscheinlich das Doppelte - so genau konnte ich es nicht sagen, weil die Treppe irgendwann mal um die Ecke verschwand. Die Bahn war bereits unterwegs, man fuhr im Doppeltakt alle 15 Minuten. Beim Warten vernahm ich dann, dass im Sommer offenbar sehr viele Gruppen auf den Harder gehen, und zwar über den eigenen Zugang zur Bahn. Das ist dann gleichbedeutend mit unsäglich langer Wartezeit für Individual-Reisende. Heute hatte es zum Glück keine Gruppen und auch immer noch sehr wenige (erkennbare) ausländische Touristen. Die nächste Bahn brachte mich hoch, und wenn ich beim Anstehen noch einigermassen Abstand halten konnte, war es in der Kabine dann unmöglich. Also Maske auf, die Maskierten brachten es immerhin auf geschätzte 35%, was natürlich immer noch äusserst wenig ist für eine solche Situation.
Auf dem Harder vermisste ich dann eines: einen Kübel beim Ausgang. So blieb mit dann nichts Anderes, als die Maske erst mal mitzunehmen, und dazu muss man diese eben anfassen - so richtig, nicht nur an den Bändelchen. Schade, aber vielleicht habe ich den Kübel einfach nicht gesehen. Jedenfalls geht dann von der Bergstation eine regelrechte  "Autobahn" hoch zu Restaurant und Aussichtsplattform. Will man zu dieser, muss man eigentlich über die Terrasse des Restaurants laufen. Man kommt gar nicht umhin, die unzähligen Reservationsschilder auf den Tischen wahrzunehmen. Echt jetzt? Wie sieht das dann in der Hochsaison ohne Corona und mit besagten Gruppen aus? Keine Chance für einen spontanen Umtrunk? Wer mich kennt, der weiss wie unsympathisch mir solche Gepflogenheiten sind. Wenn man dann in Zeiten von Corona alleine aufkreuzt, ist sowieso kein Tisch mehr frei - man darf ja niemanden mehr dazu setzen. Früher hätte ich wenigstens noch die Chance auf eine angenehme Zeitgenössin gehabt.... War also nichts für mich, Hunger hatte ich sowieso noch keinen, und der wäre mir dann wohl vergangen, sobald ich das Restaurant hätte funktionieren sehen: gehört habe ich nur den einen Kellner, dieser war unüberhörbar. Seine Sprüche waren eher platt und sein Dialekt ein perfektes Hochdeutsch. Sorry, definitiv nicht meins, das roch dermassen stark nach touristischem Abriss.
Dafür entschied ich mich für den Harder-Rundgang, ausgeschildert mit den Zeichen eines Bergwegs hielt der Pfad was er versprach: steile Auf- und Abstiege, schmale Passagen, zahllose Wurzeln und Steine über die man stolpern konnte, Wasserläufe, Schlammlöcher. Meine Lowa-Schuhe konnten sich bewähren, mein Rucksack auch: er hatte die Maske geliefert und nahm meine beiden überzähligen Jacken auf, ich kam ins Schwitzen in diesen 50 Minuten.




Wieder zurück in Interlaken Ost - das Restaurant liess ich definitiv rechts liegen - irrte ich etwas unentschlossen durch die Stadt. Zuerst mal Richtung Westen, vielleicht ins Hooters? Nur wenn's einen freien Tisch an bester Lage hätte. Es hatte - ich liess es aber dennoch bleiben, hatte gar nicht so viel Hunger. Ok, nächste Idee, Sushi. Wo war der Laden noch gleich? Ich habe ihn übersehen, dafür abseits der Hauptstrasse ein Restaurant gefunden, welches richtig gut besucht war. Vielleicht hier? Aber wenn ich mir die Portionen anschaute... zu wenig Hunger. Dann war ich schon in Unterseen, kam an einem tollen italienischen Lokal vorbei. Pizza? Ne, der Hunger eben.  Dann ins Coop ein paar Sushi holen zum Mitnehmen. Sushi? Fehlanzeige. Gut, dann der Aare entlang flussaufwärts, über die Brücke wieder nach Interlaken. Diesmal habe ich das Sushilokal gefunden, gleich gegenüber dem gut besetzten Restaurant. Da war mein Blick einfach nur auf der falschen Seite gewesen. Sushi gab es hier trotzdem eine, das Restaurant öffnete erst um 17:00 Uhr. Corona liess ein weiteres Mal grüssen. Zurück auf der Hauptstrasse marschierte ich nun zum Bus, das hätte wunderbar gepasst. Bei der Take-away Creperie kamen dann Zweifel auf. Wann würde mich der Hunger einholen? Und was würde ich dann alles verschlingen? Vielleicht jetzt eine kleine Crêpe? Aber wie essen auf der Strasse mit meinen ungewaschenen Händen, und mitnehmen in den Bus? Am Ende lief ich an der Crêperie vorbei, hatte immer noch ein Hüngerchen, lief bis zur Migros, holte dort ein paar Sushi, lief zurück zum Bahnhof und wartete auf meinen Bus - den nächsten halt.