Dienstag, 9. Juni 2020

Die Reihen füllen sich

Ich sitze im Zug nach Bern, es ist Dienstag  morgens um halb Sieben. 20 Plätze bietet die erste Klasse, 6 Personen sitzen - jeder in "seinem" Abteil. Das ist schon etwas mehr als letzte Woche und gleich werden in Burgdorf Leute zusteigen. Eine Person hat eine Maske auf, verdammt wenig wenn man weiss, dass in der ersten Klasse viele Mitarbeitende im öffentlichen Verkehr sitzen. Und diese sollten den übrigen Fahrgästen als Vorbild dienen. Vielleicht kommen meine Masken doch noch zum Einsatz, denn irgendwann werden es dann zu viele Reisende sein im Abteil, ganz zu schweigen von der Situation im Bahnhof. Zuerst werde ich aber noch versuchen, auf Züge mit weniger hoher Belegung auszuweichen.
Was mir immer noch nicht klar ist: warum laufen zahlreiche Zeitgenossen durch den ganzen Zug? Suchen sie ein komplett freies Abteil? Und warum kann man nicht draussen dem Zug entlang laufen? Draussen soll das Ansteckungsrisiko viel kleiner sein. Nun, der Mensch verhält sich eben nicht immer rational, wir agieren mit Verstand und Herz. Und diese Kombination ist auch der Grund, wieso sich unser gesellschaftliches Zusammenleben gerade ändert: wir haben über den Verstand neue Verhaltensregeln verinnerlicht, nun mit den Lockerungen diktiert vor allem unser Gefühl, was davon in welcher Ausprägung zum Standard wird. Interessanterweise ist dabei als Gefühlskomponente der "gesunde Menschenverstand" gefragt. Der rein logische Verstand scheint also ungesund zu sein? Und wie verhält es sich dann mit dem Augenmass, können dieses Blinde nicht anwenden? Können Taube nicht auf ihre innere Stimme hören?
Natürlich ist das alles Blödsinn. Aber bei vielen Themen bekommt man zuweilen den Eindruck, die Menschheit wäre zumindest schwerhörig und hätte eine globale Sehschwäche. Wer weiss, vielleicht lernen wir gerade jetzt wieder eine Lektion dazu. Jedenfalls tut die Krise Vielem gut - der Luftqualität, den Thunfischen in Spanien, vielleicht sogar uns Menschen, in letzter Konsequenz.