Samstag, 9. Januar 2021

Loslassen

Heute ist ein typischer Wintertag: die Sonne scheint, ein Hauch von Schnee auf den Feldern, ein saukalter Wind. Ich wollte mich trotzdem nicht daheim verstecken und einigeln, sonst kommen weder der Schrittzähler, noch die Pumpe auf Touren. Da ich noch Käse brauchte, bot sich der Gang in die Käserei an. Das gäbe allerdings nicht wirklich eine grosse Runde, darum machte ich einen Umweg über das Tannschächli, mit dem Hintergedanken, dass dort im Schutz der Bäume die Bise etwas weniger stark spürbar wäre. Klappte auch, bloss muss man dann ja auch wieder aus dem Wald raus..... Dort wo ich dies machen wollte, war überraschenderweise der Weg weiter der Emme entlang offen. Hier wird gerade der Emme mehr Raum gegeben, dabei auch einiges - leider - zerstört. Zum Beispiel unser von den Hunden im Sommer geliebte Stauseeli, das ist schon seit Monaten unter Schutt und Steinen verschwunden. Nun konnte ich dies auch noch offiziell anschauen, ich war hier schon mal über die Baustelle geschlendert, illegalerweise.
Heute sah es aus, wie eine frisch operierte grosse Wunde - der Weg gleicht aktuell noch einer Strasse, man könnte sie glatt irgendwo in Skandinavien vermuten. Aber schön und fertig sieht das noch nicht aus. Überall liegt etwas rum, Steine, Baumstrünke, irgendwas was da ausgebuddelt worden ist beim "Terraforming". Beim zweiten Hinschauen merkte ich dann aber, dass das System hat: die liegengelassenen Fundstücke sind schön regelmässig verteilt über die ganze Fläche, abwechselnd näher und weiter weg vom Wald.

Auf meiner weiteren Runde kam ich noch an diversen weiteren Orten vorbei, welche ich aus der Vergangenheit gut kenne, der Hornusserhütte beispielsweise. Dabei kam erneut ein Gedanke auf, der mir schon Ende letzter Woche gekommen ist. Vermutlich hat dieser damit zu tun, dass wir im neuen Jahr sind, und dies ein Jahr ist in welches wir alle, aber vor allem ich, viele Hoffnungen stecken. Es soll ein Jahr werden, in dem wir es schaffen, den Alltag nicht mehr vom Corona-Virus diktieren zu lassen. In dem auch wieder einmal Ferien im Ausland möglich sind, ohne gleich eine Quarantäne zu riskieren. Ein Jahr aber auch, in dem ich vermutlich zum letzten Mal umziehen werde - mal abgesehen von altersbedingten Lösungen, aber so alt muss ich ja zuerst überhaupt mal werden. Der Gedanke hat mit Utzenstorf zu tun: ich spüre in meinem Bauch so ein Gefühl, welches eine Mischung zwischen Vorfreude und Wehmut ist. Ich habe vermutlich begonnen, insgeheim Abschied zu nehmen von diesem Ort, an dem ich mehr als 24 Jahre gelebt habe. Das ist immerhin fast die Hälfte meines Lebens, nicht zu unterschätzen. Ich geniesse das irgendwie, dieser Gedanke lässt einen solche Spaziergänge viel bewusster erleben. Und die Tatsache, dass solch schöne Orte wie eben das kleine Stauseeli einfach weggebaggert  werden und verschwinden, macht den Abschied irgendwie leichter. Es ist nicht mehr das selbe, nicht mehr ohne die Hunde, nicht mehr mit diesen Veränderungen. Oder anders gesagt: es wird Zeit zu gehen und ein neues Kapitel aufzuschlagen.

In die Käsi habe ich es dann auch noch geschafft. Dadurch, dass dieser Weg nicht mehr gesperrt war - und ich unbedingt da durchlaufen musste - kamen dann eben 1,5 Stunden zusammen. Schadet ja nicht, und Spass hat es auch gemacht. Sogar das Zurücklaufen über die offene Ebene, vermummt so weit es geht, aber ohne wirklich zu frieren. Und nicht zuletzt mag ich das sogar ab und zu, den Wind im Gesicht - lieber im Sommer am Meer, aber so mag ich es auch.