Mittwoch, 13. Juni 2018

ein Morgen im Zug

Mittwoch scheint kein guter Tag zu sein, um von zu Hause aus zu arbeiten. Jedenfalls ist heute die erste Klasse schon in Aefligen voll. Gut, es sind ja auch nur noch 16 Plätze seit der Generalüberholung, dafür ist das Abteil jetzt immer in der Mitte des Zuges, plus minus jedenfalls - mal vor der Mitte in Teil 2, mal in der Mitte in Teil 3. Ganz so einfach soll es offenbar dann doch nicht sein. Ich habe mir einen Platz in einem Viererabteil ergattert - schlicht und einfach weil es dort am meisten freie, gut zugängliche Plätze hatte. Das sind dann in dieser Phase eben die Gangplätze will man nicht leichtes Bergsteigen am frühen Morgen betreiben. Ich weiss, im Frühtau zu Bergen und so weiter...aber erstens nicht im Zug und zweitens regnet es heute ohnehin.
Man kennt die meisten Gesichter im Abteil. Aber manchmal erinnert man sich leider nicht mehr gut genug daran. Neben mir sitzt nämlich ein Kampf-Chätschgümmeler der mir schon vor ein paar Wochen mal aufgefallen ist. Der hat zwischendurch eine derart hohe Kadenz, dass man meint er sei mit einer Mundspülung beschäftigt. Und das hört man, auch wenn der Zug fährt. Als direktes Resultat habe ich dann selber immer zu viel Speicher im Mund.... Gut, selber schuld, ich habe mich dort hingesetzt. Dieses Gesicht kommt jetzt auf meine ganz persönliche schwarze Liste.
Früher gab es noch den Run auf die Gratiszeitungen, Blick am Abend und 20Minuten. Vor allem das Fehlen der zweiten führte um halb Sieben morgens zu Enttäuschung, Empörung und angeregten Diskussionen. Das ist heute Vergangenheit, News aus diesen Zeitungen sind bereits wieder veraltet, online-News auf Handy und Tablet sind angesagt. Keine rumliegenden Alt-Zeitungen mehr, kein Bedarf für angeregte Gespräche - ich und mein mobiles Gerät (oder in Einzelfällen Ich und mein Kaugummi, wobei die Augen dann immer noch unterbeschäftigt sind und ein Handy trotzdem angesagt ist). Die Papierquote heute ist durchschnittlich, ich sehe drei Zeitungen, zwei werden gelesen und eine bekritzelt - Sudoku, geht heute auch per App auf dem Handy. Dafür sind die Kopfhörer-Isolationisten nur schwach vertreten, drei Verkabelte kann ich erkennen, nicht dieselben wie die drei Papier-Fetischisten.
Und alle, alle machen wir ein ernstes Gesicht. Wir sind vielleicht noch müde, denken darüber nach was auf der Arbeit auf uns wartet, sinnieren über ein berufliches oder privates Problem, konzentrieren uns auf's Blogschreiben oder nerven uns sogar schon über irgendwas - oder irgendwen, Kampf-Chätschgümmeler zum Beispiel. Aber es gibt Hoffnung: Wankdorf, der Typ neben mir steht auf und steigt aus. Bis zum Hauptbahnhof wird es halb leer, ruhig und zumindest mein Gesicht hellt sich etwas auf: Blogeintrag fertig, Zugfahrt zu Ende, der Regen nur noch schwach und....Mist, ein Job bei PostAuto - zumindest heute noch.